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JEDER DENKT, ES IST NUR EINER – DOCH ZUSAMMEN SIND ES VERDAMMT VIELE

Die unterschätzte Last der Terminverschiebungen: Warum dein Tattootermin mehr bedeutet, als du denkst. Die wachsende Belastung durch ständige Terminänderungen und warum sie existenzbedrohend sind.

In den vergangenen Jahren haben wir ein massives Problem festgestellt, das vielen gar nicht bewusst ist: Die stetig wachsende Zahl an Terminverschiebungen und Absagen. Was vielleicht als unbedeutende Planänderung erscheint, summiert sich in der Realität zu einem wirtschaftlich enormen Problem, das für uns als Tattoo-Studio zunehmend existenzbedrohend wird. 

Die ernüchternden Zahlen: Die harten Fakten und die klare Wahrheit – ja, in gewisser Hinsicht ziehen wir uns erneut für euer Verständnis aus.

Allein im Jahr 2023 haben wir unglaubliche 169 Terminverschiebungen und Absagen verzeichnet. Davon gingen nur 11 auf unser Konto.

Noch dramatischer war die Lage im Vorjahr: 2022 mussten wir 200 Absagen hinnehmen – nur 14 davon waren von unserer Seite.

Im Jahr 2024 haben wir bis September bereits 109 Terminverschiebungen, und erfahrungsgemäß wird die Zahl ab Herbst deutlich steigen – nur 11 davon sind von uns verursacht.

Dazu muss ich sagen, dass ich immer wieder den Fehler gemacht habe, einen Termin, der verschoben wurde, in unserem System zu ändern, anstatt ihn als abgesagt zu markieren und neu anzulegen. Daher dürfen wir davon ausgehen, dass die Dunkelziffer um 10-12% höher liegt.

KRASS ODER? Ja, aber genau das sind die Fakten. 

Diese Zahlen sprengen leider jede Toleranzgrenze.

Was auf den ersten Blick nach einzelnen, isolierten Fällen aussieht, summiert sich zu einem riesigen Problem. Jeder Kunde sieht nur seinen eigenen Termin und denkt sich: „Es ist doch nur ein Tattootermin, eine Verschiebung macht nichts.“ Viele denken sich außerdem: „Die sind doch gut gebucht und haben eine Warteliste, die werden den Termin schon vergeben können. Ein anderer freut sich bestimmt über den Termin.“ Dem ist eben nicht so. Natürlich haben wir Kunden, die auf unserer sogenannten „Springerliste“ stehen – mal mehr, mal weniger. Sicher kann man den ein oder anderen Termin auf Instagram ausschreiben. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich zu jedem frei gewordenen Termin auch ein Ersatz findet. Dies hängt von so vielen Faktoren ab: der Größe des Tattoos, der Vorlaufzeit, und ob der kurzfristige Termin überhaupt in den Plan anderer Kunden passt.

Die Realität hinter den Kulissen

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir auch nicht jeden Termin mit jedem beliebigen Kunden füllen können. Bei laufenden Projekten müssen wir darauf achten, dass der neue Termin zur Heilung des vorherigen oder des Folgetermins passt. Es bringt nichts, einen Springer kurzfristig einzuschieben, wenn sein nächster Termin ohnehin bald wieder frei wird, weil das Projekt abgeschlossen ist. Ähnlich verhält es sich bei größeren Tagesterminen, etwa bei aufwendigen Feinline-Tattoos. Um solche Termine aufzufüllen, benötigen wir entweder Kunden, die ein ähnlich großes Projekt haben und den Tag komplett nutzen können, oder wir müssen im schlimmsten Fall 2–5 Kunden finden, die kleinere bis mittlere Motive wollen, um den Verdienstausfall so gering wie möglich zu halten. 

Je nachdem, wie kurzfristig die Absage erfolgt, muss außerdem bedacht werden, dass oft nicht genug Zeit bleibt, um eventuell bis zu fünf Kunden für kleinere Motive vorab zu beraten. Jede Beratung und Motivvorbereitung erfordert Zeit – und diese wird meistens in den Randzeiten erledigt: nach Feierabend, vor Arbeitsbeginn, am Wochenende oder manchmal sogar während einer schlaflosen Nacht. Oder zu der Zeit, zu der eigentlich etwas anderes Priorität haben sollte, was dann wiederum nach Feierabend, am Wochenende oder sonst wann eingeschoben und erledigt werden muss. Deine Terminabsage zwingt uns zusätzlich zu unbezahlten Überstunden, da wir diese Vorbereitungen in der ohnehin knappen Zeit erledigen müssen. Diese Überstunden garantieren jedoch keineswegs, dass der freigewordene Termin auch tatsächlich gefüllt wird, was bedeutet, dass im schlimmsten Fall nicht nur ein Verdienstausfall entsteht, sondern auch noch unvergütete Mehrarbeit. Abgesehen davon gibt es so viel Arbeit, die im Hintergrund läuft und von der ihr nichts mitbekommt. Unsere Arbeitszeit beinhaltet bei weitem nicht nur die maximal eine Tagessitzung. Nein, wir arbeiten oft stundenlang davor, danach, am Abend, am Wochenende, im Urlaub oder in schlaflosen Nächten an euren Projekten und allem, was nun mal dazu gehört, um das Studio zu führen. Aber das ist ein anderes Thema.

Warum also Terminverschiebungen ein solch großes Problem sind?

Ein Tattootermin ist für dich vielleicht ein „Luxustermin“ – ein Moment, den du dir gönnst. Für uns jedoch ist jeder Termin ein existenzieller Teil unseres Geschäftsbetriebs - unserem Leben. Wenn Termine kurzfristig verschoben oder abgesagt werden, entstehen Lücken, die oft nicht mehr gefüllt werden können. Selbst mit Wartelisten ist es schwierig, Termine neu zu vergeben, da diese oft ungünstig oder zu kurzfristig liegen. Die Folge: Verdienstausfall.

Hinzu kommt der zusätzliche Aufwand, den jede Terminverschiebung mit sich bringt. Es geht nicht nur darum, einen neuen Termin zu vereinbaren. Es bedeutet, dass wir unsere gesamte Planung ständig anpassen und neu organisieren müssen. Das kostet Zeit, Energie und Ressourcen – und all das in einem Umfang, der kaum noch tragbar ist.

Deswegen haben wir in der Vergangenheit neue Verschiebungs- und Absage-Richtlinien eingeführt und werden diese, so hart sie auch erscheinen mögen, konsequent umsetzen. Es tut uns leid, aber es geht nicht mehr anders. Wir müssen unsere Existenz, Familie, Gesundheit und nicht zuletzt unser Unternehmen schützen.

Kein Vermieter, kein Buchhaltungsbüro, keine Versicherung, kein Energieunternehmen, kein Tattoosupply fragt uns, ob wir diesen Monat einen Rabatt benötigen, weil wir statt vorher 120 % (inklusive Springer) nur 70 oder sogar 50 % Terminauslastung hatten. Das sind einfach die verdammten harten Fakten.

Existenzsicherung – Wahrlich kein Reichtum

Aus diesem Grund müssen wir auch einmal ganz klar sagen: Auch wir möchten von unserer Arbeit leben können. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um eure Termine nicht verschieben zu müssen. Wir verzichten sogar auf Arzttermine, wenn der nächste verfügbare Termin an einem Tag ist, an dem du deinen Termin hast – und riskieren dadurch eine Wartezeit, die je nach Dringlichkeit untragbar für unsere Gesundheit ist. Auch wir möchten, wie du, einen gewissen Lebensstandard haben und vor allem erhalten. Und hier sprechen wir von einem absoluten Mittelstand-Lebensstandard, der weit unter dem liegt, was die meisten von euch erwarten würden.

Abschließend:

Ich muss ehrlich sagen, ich bin es etwas leid, ständig jede unserer Entscheidungen rechtfertigen zu müssen. Aber auch das scheint notwendig zu sein – es wird von uns erwartet, also tun wir es. Und das wieder einmal. Und wir sprechen ganz sicher nicht nur für uns, sondern für ganz viele Tätowierer und Dienstleister in Deutschland.

 

 

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